
In meinem Sommer 2023 gab es neben Schweden, Schweden und Schweden; der Buchveröffentlichung und Schweden, noch ein weiteres Highlight: Ich war zu Gast in einer TV-Talkshow. Jep, richtig gelesen: So richtig im Fernsehen. Mit Kameramännern, Maske und TV Now-Ankündigung – craaaazy! Es gibt einige Anekdoten rund um diese Erfahrung, die ich teilen könnte …
Aber dann war ich eben spazieren, dabei fiel mir fast die graue Wolkendecke auf den Kopf und meine Erinnerungen aus dem Sommer fühlen sich auf einmal sehr weit weg an. Brrrr, ich hasse diese dunklen Novembertage. Sie schlucken meine sommerliche Leichtigkeit und machen es mir verdammt schwer, gute Laune zu haben. Kennst du das?
In diesem Artikel geht es um Winterverstimmungen, den Krieg im Nahen Osten und meine Schnapsidee, dass mich ein Fernsehauftritt selbstbewusster machen könnte – drei ganz unterschiedliche Aspekte aus dem Leben, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben und trotzdem ziemlich nah zusammenhängen. Ich wünsche dir viel Genuss beim Lesen!


Die Dunkelheit überrollte mich von heute auf morgen
Es ist jedes Jahr dasselbe Spiel: Irgendwann im Laufe des Herbstes passt sich mein Gemütszustand dem Wetter an. Ich werde antriebslos und ziehe mich zurück. Ich fühle mich allein, obwohl ich es nicht bin. Ich bin mit Smalltalk überfordert, obwohl ich das sonst liebe. Ich kann schwer Entscheidungen treffen und meine Leistungsfähigkeit reduziert sich fast um die Hälfte im Gegensatz zu den Sommermonaten. Anders gesagt: Meine Psyche reagiert heftig auf die Dunkelheit in der kalten Jahreshälfte. Deshalb bereite ich mich jedes Jahr aufs Neue mit viel Weisheit, einer Tageslichtlampe und Vitamin D-Präparaten auf meinen langsam anrollenden Stimmungsumschwung vor.
Doch in diesem Jahr ist es anders. Diesmal hatte ich keine Chance, mich vorzubereiten. Diesmal überrannte mich die Dunkelheit von Jetzt auf Gleich. Und zwar am 7. Oktober 2023. Der Tag, an dem in Israel der schreckliche Terrorangriff passierte.


Ekelhafter Menschenhass
Normalerweise kann ich bei schlimmen politischen oder humanitären Nachrichten einen kühlen Kopf bewahren. Ich fühle mit, empfinde Empathie, helfe, wenn ich kann; bleibe aber immer zuversichtlich. In mir ist eine Art Grundvertrauen, dass irgendwie alles gut werden wird. Irgendwann. So ging es mir zumindest bei der Corona-Krise, dem Ukraine-Krieg und der Inflation. In den letzten wilden Krisen-Jahren bin ich meist stabil geblieben und habe die Hoffnungsfahne für diejenigen hochgehalten, die es gerade nicht konnten.
Jetzt kann ich es nicht mehr.


Ich habe mich in den letzten Tagen oft gefragt, warum mir die Krise im Nahen Osten gerade so nahe geht. Ist es, weil mir das Land so vertraut ist? Weil ich glaube, die Region besser als den Inhalt meiner Wickeltasche zu kennen? Weil ich Freunde vor Ort habe, um die ich mir Sorgen mache? Weil ich in diesem November mit meiner Familie gern dorthin gereist wäre? Liegt es daran, dass ich eigene vergangene Kriegserfahrungen nie richtig verarbeitet habe? Es gibt einige Gründe, die meine Verfassung erklären können. Aber wenn ich ganz, ganz ehrlich bin, dann weiß ich, dass der heraneilende Winter einen ebenso großen Teil zu meinem Gemütszustand beigetragen hat, wie dieser Krieg.
Es liegt wohl an der Kombination aus dem ekligen Wetter draußen und dem noch ekligeren Menschenhass.
Anders gesagt: Wäre das alles zu einem anderen Zeitpunkt im Jahr passiert, hätte ich vermutlich nicht direkt den Boden unter den Füßen verloren. Dann hätte ich die Ressourcen gehabt, mich früh genug zu schützen, um stark zu bleiben, um mir und anderen Zuversicht zusprechen zu können.
Aber all das konnte ich am 7. Oktober nicht.
Weil bereits Herbst war.
Und mir die Dunkelheit schon im Nacken hing.


Bin ich erst glücklich, wenn es den Winter nicht mehr gibt?
Ich muss also feststellen, dass ich im Winter nicht sonderlich resilient bin. Und genau deshalb mag ich den Winter nicht. Er kitzelt viel zu viele Schwächen aus mir heraus.
Schon oft genug habe ich recherchiert, welche Optionen wir als Familie haben, um in Richtung Sonne auszuwandern. Hirngespinste. Ich will gar nicht auswandern. Aber ich glaube manchmal, dass mein Leben sehr viel leichter und ich deutlich glücklicher wäre, wenn es nur den Sommer gäbe. Wenn ich die dunkle Jahreszeit einfach überspringen könnte.
Auf der einen Seite weiß ich, dass das ein Gehirnfurz ist. Denn egal wohin ich auswandern würde, mich selbst – inklusive meines anriebslosen Winter-Ichs – nehme ich immer mit. Auf der anderen Seite ist es manchmal so schön einfach, mich an meinen Wenn-Dann-Hoffnungen festzuhalten anstatt mich mit dem Hier und Jetzt auseinanderzusetzen. Es ist bequem zu glauben, dass ich erst glücklich bin, wenn ich 24/7 einen wolkenlosen Himmel habe – anstatt etwas dafür zu tun, dass es mir auch bei einer grauen Wolkendecke gut geht.


Kennst du solche Wenn-Dann-Hoffnungen? Ich habe viele von ihnen. Nicht nur in Bezug auf den Winter. Das hier sind momentan meine beliebtesten Gehirnfürze:
- Wenn wir wieder einen größeren Camper haben, dann reisen wir mehr.
Völliger Quatsch! Die Entscheidung, wie viel oder weniger wir unterwegs sind, hat mir unserer Prioritätensetzung, nicht mit der Größe des Vans zu tun.
- Wenn ich Anerkennung von anderen bekomme, dann glaube ich, dass ich gute Arbeit geleistet habe.
Noch größerer Quatsch! Die wichtigste Stimme bei solchen Anerkennungsthemen ist immer die Eigene. Wenn ich selbst meine Arbeit nicht gut finde, kommt Lob nicht bei mir an.


- Wenn ich diese eine Sache geschafft habe, dann bin ich endlich selbstbewusst.
Der allergrößte Quatsch! Mein TV-Auftritt im Talkwerk hat mir mehr als deutlich gezeigt, dass ich mich nicht automatisch selbstsicher fühle, nur weil ich es vor die Kamera „geschafft“ habe. Ich hatte bisher als Redakteurin immer hinter der Kamera gearbeitet und unterbewusst erwartet, dass es mich in meinem Selbstwert pushen würde, wenn ich Mal Akteurin vor der Linse sein darf. Was ein Schmarrn! Ich fühlte mich im Studio neben dem Moderator sitzend definitiv nicht selbstsicherer oder selbstbewusster als vorher. Ganz im Gegenteil: Ich fühlte eher den Schweiß, der sich unter meinen Achseln sammelte. Und das ist nichts, was mich selbstbewusster fühlen lässt. 😉


Ich glaube, das ist der springende Punkt: Nicht der Schweiß. Aber die Tatsache, dass ich mich nicht automatisch besser fühle, wenn ich etwas erreicht oder getan habe. Wenn ich einen Partner fürs Leben finde, ein Haus baue, den nächsten Karriereschritt schaffe, ausgewandert bin oder was auch immer.
Ich hoffe häufig, dass mich Äußerlichkeiten besser fühlen lassen. Und jedes Mal ist die Enttäuschung darüber, dass es nicht so ist, echt hart.
Was mich wirklich besser fühlen lässt, ist, wenn ich mich selbst annehme und anerkenne. Wenn ich zum Beispiel nicht auf ein Leben ohne Winter hoffe, sondern die antriebslose, wetterabhängige und hoffnungslose Annabel als Teil von mir annehmen. Die Annabel, die nicht jeder Krise die Stirn bieten kann. Vor allem nicht dann, wenn sie mit dem Winter zusammenfällt.


Und wenn ich so darüber nachdenke, dann kann ich total entspannt übermorgen in das Flugzeug steigen, welches uns auf die Kanaren bringen soll. Denn ich jage mit dieser Winterflucht nicht einer meiner billigen Wenn-Dann-Hoffnung hinterher. Ich habe nicht die Erwartung, dass mich die Sonne von aller Schwere befreit. Aber ich tue mir mit dieser Winterflucht etwas Gutes. Etwas, was mich stärkt. Etwas, was meinen vernebelten Blick wieder klar machen kann. Etwas, was mich erkennen lässt, dass beim Thema Hoffnung irdische Strategien sowieso immer Hirnfürze sind. Weil die einzige Hoffnung, die immer bleibt, die vom Himmel ist.
🎥PS. Wenn du wissen willst, wie ich mit Birkenstock am Talkshow-Tisch sitze und von den besten Saunamomenten auf unserer Elternzeitreise 1.0 berichte, ist hier ein bisschen Kino für dich, hihi:
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