
Wir waren neu zugezogen als ich mich auf die Suche nach einem Frauenarzt machte. Überall hörte ich vom großen Ärztemangel auf dem Land. Aber ich war optimistisch. Immerhin hatte ich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand – das würde meine Eintrittskarte werden. Dachte ich zumindest. Sieben Anrufe später musste ich feststellen, dass sich niemand für mein Baby im Bauch interessierte. Ich war nur eine von vielen auf der Warteliste in überfüllten Arztpraxen.
Ich hatte gehofft, besonders behandelt zu werden. Aber ich bekam nur schnelle Absagen.
Ich rief schließlich bei der Arztsuche-Hotline an. Wenn niemand Platz für mich habe, solle ich für die notwendigen Ultraschalluntersuchungen einfach in das nächste Krankenhaus gehen. Ok. Danke. Tschööö. Ich war frustriert. Und wäre am liebsten mit Sack und Pack zurück in die Stadt gezogen.
Zwei Wochen und unzählige Telefonate später hatte ich endlich einen Termin in einer Praxis in unserem Landkreis in der Tasche. Eine wunderbare Praxis wie sich später herausstellte. Aber eine Praxis, die eine Stunde Autofahrt von unserem neuen Zuhause entfernt lag. Die Vorsorgeuntersuchungen waren für mich jedes Mal ein riesiger Organisationsaufwand. Besonders mit Blick Klein P, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Fremdbetreuung war.
Ich bekam letztlich einen Platz als Patientin in der Praxis. Trotzdem bleibt aus dieser Zeit das Gefühl zurück, fremd zu sein. Und als Fremde keinen Platz zu haben.
Die Besonderheit aus Bethlehem
Ich glaube, dass es Maria aus der Weihnachtsgeschichte damals ähnlich wie mir ging: Sie war fremd in Betlehem, war ebenfalls mit Babybauch unterwegs und suchte auch nach einem Platz. Und auch sie wurde nicht besonders behandelt. Doch im Gegensatz zu mir fand Maria am Ende ihrer Suche keinen Platz. Sie landete in einem Stall. Ich erahne, wie frustrierend dieser Ort für sie gewesen sein muss.
Marias Schwangerschaftsgeschichte ist echt eine wilde Nummer. Erst reitet sie auf einem Esel einmal quer durchs Land. Dann gebärt sie ihr Kind umgeben von Tieren. Und on top bekommt sie kein normales Kind, sondern eins von dem die Engel sangen, er sei der Retter der Welt. Crazy! Marias Einstieg in die Mutterschaft ist besonders, obwohl sie nie besonders behandelt wurde – eine Geschichte, die bis heute viele Menschen fasziniert.
Wenn Wunsch auf Realität trifft

An den Weihnachtsfeiertagen möchte ich etwas von dieser Besonderheit aus Bethlehem in meinem Wohnzimmer erleben. Ich wünsche mir, dass es besondere Tage sind, die uns mit ganz viel Glanz in Erinnerung bleiben. Dabei vergesse ich häufig den Ursprung der Besonderheit: Den dreckigen, miefigen Stall. Stattdessen verliere ich mich in der Auswahl der perfekten Geschenke und entwickle die überzogene Erwartung an ein durch und durch harmonisches „Fest der Liebe“.
Kennste?
Früher oder später trifft mein Wunsch nach einem besonders schönem Weihnachtsfest immer auf die Realität. Dann knallt es wilde Emotionen. Vor allem Enttäuschung. Weil es doch keine harmonischen Feiertage sind. Weil es doch Streit gibt. Weil die falschen Geschenke bestellt wurden. Weil das Essen nicht gut schmeckt. Weil alle angespannt sind… Weil auch an Weihnachten vieles einfach normal ist.
Weihnachten ohne Enttäuschung
In diesem Jahr habe ich keine Lust auf diesen Knall. Ich will mich davon lösen, um jeden Preis Besonderheit herbeizuzwingen. Ich will hingegen die Normalität, den Stall voller Tiere, mitten in diesen besonderen Tagen akzeptieren.
Ich will die Gleichzeitigkeit von Besonderem und Normalen erlauben; von Lametta und Staub, von Euphorie und Nackenverspannung.
Ich stelle mich auf Tage ein, an denen ich meinen Kindern mit der Zahnbürste hinterherrennen. Wie jeden Morgen. Und Kämpfe beim Windelwechseln austrage. Ich stelle mich aber auch auf Tage ein, an denen wir einen besonderen Geburtstagskuchen für Jesus verputzen; alle Kerzen in der Wohnung anzünden und ich mich in ein schickes Heilig-Abend-Kleid werfe – ohne die Nägel passend lackiert zu haben. Ich werde es leben: Ein besonders normales Weihnachtsfest.
Und ich will mich dabei daran erinnern, dass die Besonderheit in Bethlehem nicht durch Perfektion oder Bilderbuchbildern entstand, sondern genau durch das Gegenteil: Weil alles anders normal war.
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