
Anfang des Jahres haben wir unser Traumhaus in Schweden gefunden und auch gekauft. In diesem Beitrag erzähle ich, was für eine Sehnsucht hinter der Immobilie steckt, warum ich nie Hausbesitzerin sein wollte und es jetzt doch bin. Du erfährst auch, wie ein Kaufprozess in Schweden abläuft und wie sich der erste Aufenthalt in den eigenen schwedischen Wänden mit zugefrorenen Wasserleitungen und Mäusen angefühlt hat.
Viel Freude beim Lesen!
Ein unangemeldeter Besucher
„Mama, da kommt Besuch“, ruft mein dreijähriger Sohn Klein P, während er aus dem Fenster schaut. „Echt? Kann nicht sein“, murmle ich aus der Küche rüber ins Wohnzimmer. „Doch, doch! Da ist ein Auto auf unsere Wiese gefahren.“ Ich ziehe meine Hände aus dem Spülbecken, wische sie an der Hose ab und eile zum Fenster, von dem aus Klein P das Auto entdeckt hat. Tatsächlich rollt ein dunkles Auto über unser Grundstück. Während ich skeptisch überlege, wer uns hier draußen tief im schwedischen Wald besuchen kommt, fährt der Wagen bereits auf unseren Hintereingang zu. Mein Magen zieht sich zusammen. Seitdem wir unser rotes Häuschen bezogen haben, hat sich noch niemand hierher, an das Ende des Waldweges, verirrt. Der Vorbesitzer meinte, dass in den vergangenen 30 Jahren nur genau zwei Fußgänger auf der Waldlichtung vorbeigekommen wären. Tiere hingegen gibt es einige hier. Vor allem Wildschweine. Sehr viele Vögel. Ab und an auch ein Elch. Und seit diesem Jahr sind auch wir hier, mitten im Wald. Davon scheint auch der Insasse des Autos zu wissen, denn kurz nachdem er den Motor abgestellt hat, klopft es an unserer Tür.


Als wir dem Besucher aufmachen, entspannt sich mein Magen wieder: Es ist ein Mann aus der Nachbarschaft. Er habe auf unserer Willkommensparty neulich gesehen mit welchem Holz wir unser Haus heizen. Das sei nix Gescheites, meint er und schleppt drei Säcke Feuerholz aus seinem Kofferraum auf unsere Terrasse. Dann erklärt er mir, wo in seinem Stall noch mehr Feuerholz zu finden sei. Und wo der Schlüssel für die Stalltür versteckt ist. Und dass wir doch nächste Woche für eine Fika (das schwedische Wort für Kaffeepause) vorbeikommen sollen. Dann rollt er wieder von unserer Lichtung.
Herzlich Willkommen in Schweden, denke ich grinsend, während ich die Tür hinter ihm schließe und Holz im Ofen nachlege. Herzlich Willkommen in dem Land, das von unglaublich wohlwollenden Menschen geprägt ist.


Wie es dazu kam: Ein Entschluss im spanischen Wald
Die Entscheidung, ein Haus in Schweden zu kaufen, haben wir im November 2023 auf unserer Elternzeitreise 4.0 getroffen. Es war der vorletzte Tag unserer Zeit auf Gran Canaria. Wir fuhren mit unserem Mietwagen in einen großen Nationalpark auf der Insel. Der Nationalpark bestand eigentlich nur aus Bäumen. Nach drei Wochen in einer spanischen Großstadt mit vielen Eindrücken, sehr viel Konsum, vielen Menschen und viel zu vielen Möglichkeiten, konnte ich hier das erste mal so richtig durchatmen. Und ich nahm wahr, dass es dem Rest meiner Familienbande genauso ging. Ich weiß noch, wie ich Ehemann T sachte anstupste und ihn fragte, warum wir erst jetzt dorthin gefahren waren: In den Wald. In den Schatten. Weg von dem Vielen, der Ablenkung und dem Überfluss.
In dem darauf folgendem Gespräch zwischen mir und meinem Mann wurde uns klar, dass wir nicht noch mehr von der Welt sehen müssen; dass wir eigentlich schon lange wissen, wo wir hingehören und dass wir keine Lust mehr auf die Schwedenvermissung haben, sobald wir unsere Zeit in einem anderen Land verbringen.
Im Rückblick fühlt es sich so an, als hätten wir die Zeit auf den Kanaren – weit entfernt vom Norden – gebraucht, um zu erkennen, dass selbst Dauersonnenschein nichts an unserem Entschluss ändern kann, den wir bereits drei Jahre zuvor bei unserer ersten Schwedenhausbesichtigung getroffen hatten: Nämlich dass wir irgendwann zurückkehren, um zu bleiben.
Nach dem Gespräch räumte ich der Hemnet-App (ein schwedischer Immobilienanbieter) wieder ihren wohlverdienten Platz auf meinem Handys ein. Wieder, weil sie in den letzten Jahren schon häufig auf meinem Homebildschirm gewesen war, aber genauso oft auch von anderen Themen verdrängt wurde. Dieser Schwedenhaustraum war ein Auf und Ab in den letzten Jahren. Umso spannender, dass der Entschluss auf einmal so einfach und klar war. So als hätten wir nur noch die spanischen Bäume gebraucht, um es endlich Anzupacken.
Ich glaube, manchmal hilft es, in die entgegengesetzte Himmelsrichtung zu laufen, um wahrzunehmen, dass die Sehnsucht bleibt. Dass sie echt ist. Und man sie ernst nehmen darf. Und manchmal hilft eine Winterflucht in die sonnigste Region Europas, um zu erkennen, dass man bereit ist für den skandinavischen Regen.


In vier Monaten zum Traumhaus
Das war im November 2023.
Nur einen Monat später, Ende Dezember, sah ich die Anzeige von unserem Haus das erste Mal. Es sah genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte: Ein Haupthaus, ein Nebengebäude, ein Plumpsklo. Alles rot gestrichen und aus Holz natürlich. Sauna, keine Nachbarn in Sicht- oder hörbarer Nähe und einige Seen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad für den Sprung ins kühle Nass easy zu erreichen sind. Das Haus ist 100 Jahre alt und weder an die öffentliche Strom- noch an die Wasserversorgung angeschlossen – was wiederum mein autarkes Camperherz sofort erobert hat!
Alles in allem erfüllte es 9 von 10 unserer MUST-HAVE-Punkte, die ich irgendwann während eines Lagerfeuerabends zwei Sommer zuvor auf einer Liste festgehalten hatte. Nur einen Monat, nachdem ich die Anzeige entdeckt hatte, unterschrieb Ehemann T vor Ort den Kaufvertrag. Kurz gesagt: Im November beschlossen, im Dezember gefunden, im Januar entschieden, im Februar besichtigt sowie gekauft. Im März haben wir die Schlüssel bekommen, WOW! Nach diesen vier Monaten fühle ich mich so als hätte ich meine Sprintfähigkeiten von den Bundesjugendspielen wieder zurück.
Wie kann man in Schweden ein Haus kaufen?


Ich habe noch nie eine Immobilie in Deutschland gekauft und deshalb keinen Vergleich. Aber ich glaube unser Prozess zeigt sehr deutlich: Der Immobilienkauf in Schweden ist ähnlich entspannt wie der Rest der schwedischen Kultur.
In Schweden läuft der Hauskauf nicht über einen Notar. Dafür aber über den Makler, der jedoch die Interessenvertretung beider Parteien, also des Verkäufers und Käufers, vertritt. Bezahlt wird er vom Verkäufer. Alles, was wir also brauchten, war das Geld. Und einen Personalausweis. Wir hatten das Glück, dass der Vorbesitzer des Hauses ein Deutscher war, sodass wir kein schwedisches Bankkonto anlegen mussten (wofür wiederum in der Regel eine schwedische ID notwendig ist). Außerdem werden Häuser in Schweden eigentlich über ein Bieterverfahren vergeben. Auch das konnten wir umgehen, indem wir uns vor dem Start des Verfahrens mit dem Verkäufer auf einen Preis geeinigt haben. Das erklärt auch den Fakt, dass wir am Tag der Hausbesichtigung den Kaufvertrag unterschreiben konnten.
„Ich wollte nie Hausbesitzerin werden.“


Eigentlich stand es nie auf meiner Löffelliste, ein Haus zu besitzen. Auch keine Auslandsimmobilie. Und für die gibt es ohnehin sehr viele Gegenargumente. Auch ich hatte einen Grund, der mich zum Nachdenken gebracht hatte: Nämlich der Fakt, dass ich durch diesen Kauf ordentlich Besitz anhäufen würde. Und damit eine meiner größten Ängste im Leben schüren würde, nämlich zu viel zu besitzen. Denn: Besitz engt mich ein. Er zwängt mich in Aufgaben, auf die ich keine Lust habe. Besitz kostet Zeit. Großer Besitz aka ein Haus kostet sehr viel Zeit. Wertvolle Lebenszeit, die ich so viel lieber mit Erlebnissen und Begegnungen fülle als damit, Dinge zu pflegen. Ein Zuhause in der Ferne aufzubauen musste ich mir aus diesem Grund – allein aus diesem Grund – deshalb wirklich sehr gut überlegen.
Warum ich trotzdem von Herzen Ja zu unserem Schritt in unser persönliches Bullerbü sagen konnte? Weil es mir um mehr als nur um das Haus an sich geht.
Dieser Ort mitten im Wald ist nicht bloß eine Entscheidung für eine Immobilie. Es ist eine Entscheidung für einen Lebensstil. Eine Entscheidung, der Sehnsucht nach Einfachheit und Entschleunigung nachzugehen und ihr einen Ort auf der Weltkarte zu geben.


Warum ein Haus in Schweden?
Ich habe das Gefühl, dass ich mit diesem Hauskauf endlich Verantwortung für mein ständiges „zu viel“-übernehme. Das „zu viel“, an das wir uns alle durch unser heftig hohes Lebenstempo gewöhnt haben. Das „zu viel“, über das sich jeder beschwert, sobald man danach gefragt wird, wie es einem geht.
Das „zu viel“ an Bildschirmzeit, Bildern, Eindrücken, Informationen. Das „zu viel“ an Arbeitszeit, Mental Load und Schlafentzug. Das „zu viel“ an Koffein, Wein, Schokolade und anderen Pushern, die uns über den Tag retten.
Ich glaube nicht, dass die Schweden die Weisheit mit dem Löffel gegessen haben und alles „besser“ machen. Aber ich nehme in Schweden eine Kultur wahr, die von Langsamkeit und Achtsamkeit für die kleinen Dinge, Ruhe und gedrosseltem Tempo geprägt ist. Ich denke dabei daran, dass der Schwede, wenn 100 km/h erlaubt ist, trotzdem mit 90 km/h unterwegs ist. Dass die Schweden noch die Kunst beherrschen, einen einfachen Filterkaffee zu zelebrieren. Ganz ohne Latte Art. Dass es Nachbarn gibt, die einem Feuerholz schenken. Generell, dass in Schweden die Menschen so viel lieber etwas verschenken anstatt verkaufen.
Meine Faszination für dieses wunderschöne Land hängt natürlich auch damit zusammen, wie ich meine Zeit in Schweden bisher gestaltet habe. 10 Jahre liegt zum Beispiel mein erster dreimonatiger Digitaler Detox in Schweden zurück. Diese Erfahrung sitzt so tief, dass sie jedes Mal entfacht, sobald ich über die Öresundbrücke fahre.
Von zugefrorenen Leitungen und festgesteckten Autos


In Schweden werden die Häuser übrigens meist möbliert übergeben. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, dass wir das Haus im März bei unserem ersten Aufenthalt inklusive Inventar vorgefunden haben. Jedoch war bei uns recht viel drin. Was mich am ersten Tag noch erschlagen hat, hat mir zunehmend richtig viel Freude bereitet. Das Ausräumen und Sortieren war ein wunderbarer Start in diesen Lebensabschnitt.
Sowieso war unser erster Aufenthalt eine wertvolle und lehrreiche Zeit: An einem Morgen waren unsere Wasserleitungen eingefroren, Abends fiel häufig der Strom aus und unsere Einfahrt zum Haus war eine riesige Matschparty. Einmal blieb sogar ein Lastwagen von einem Hilfswerk, denen wir Möbel gespendet hatten, in unserem Waldweg stecken.
All das war das Beste, was uns am Anfang passieren konnte. Denn das schönste Gefühl bei dieser roten Schwedenhaus-Sache ist, dass sich diese Unannehmlichkeiten nicht nach etwas Schlechtem anfühlen, sondern nach Herausforderungen, für die wir SOOOO motiviert sind.
Also zündete ich bei Dämmerung Kerzen an; wir warteten geduldig, bis die Leitungen wieder aufgetaut waren und hatten den Mut, das Hilfsangebot aus der Nachbarschaft anzunehmen, den festgefahrenen Lastwagen mit einem Traktor herauszuziehen.
Es ist so schön zu erleben, dass wir hier so viel lächeln können. Auch ohne Dauersonnenschein.


Kann man das Haus mieten?


Ich habe eine Vision von diesem Ort, die über unseren persönlichen Genuss hinaus geht. Es gibt einige Ideen. Und wenn es mehr dazu zu sagen gibt, werde ich es erzählen ;-).
Jetzt heißt es erstmal: Auf das neue Familienkapitel. Wie schön, dass Du dabei bist!
PS. In dem Artikel über unsere Elternzeitreise 3.0 habe ich etwas mehr über meine Sehnsucht nach Einsamkeit und Einfachheit geschrieben. Falls Dir das hier zu kurz kam, schau gern mal rein.
Hinterlasse einen Kommentar