Monatsgedanke Juni: Am Anfang der Heilung

Bist du schon mal im Bikini mit einem Bauch voller Narben durchs Freibad gelaufen? Ich meine frische Narben, also solche, die noch heftig rosa leuchten? Das ist keine Erfahrung, die man unbedingt gemacht haben muss. Aber für mich war es ein wichtiger Moment, der mich zu einer entscheidenden Erkenntnis gebracht hat. & davon erzähle ich hier.

Wunden, die mit mehr als nur der offenen Haut zu tun haben

Als ich neulich im Freibad zwischen Wasserrutsche und Babybecken lief, spürte ich jeden einzelnen Blick, der meinen Bauch streifte. Gemustert zu werden, ist unangenehm. Hart unangenehm! Beim letzten Freibadbesuch im vergangenen Jahr hatte ich ähnliche Blicke kassiert. Damals war ich schwanger und trug eine überdimensional große Wassermelonenkugel unter dem Badeanzug. Schlanke Frau, riesige Kugel: Das sah tatsächlich amüsant aus und ich konnte die Blicke mithilfe einer Prise Humor gut einsortieren. Doch diesmal war ich nicht schwanger und mein Bauch war trotzdem ein Hingucker.
Diesmal konnte ich es nicht mit Humor nehmen.

Auf meinem Bauch sind seit neuestem vier kleine Narben. Das sind Überbleibsel der letzten Operation. Echt nicht groß. Aber groß genug, dass man sie wahrnimmt. Zum Zeitpunkt im Freibad waren sie außerdem noch frisch und nicht verheilt, sodass man eigentlich noch nicht von Narben, sondern eher von Wunden sprechen muss. Und ich begann den Schmerz dieser Wunden unter all den Blicken richtig heftig zu spüren. Die Blicke erinnerten mich daran, dass mein Körper in den letzten Monaten nicht immer im Funktionsmodus war; dass ein Organ sogar gar nicht funktioniert hat. Und das ist nach wie vor keine schöne Erinnerung für mich.

Die Erfahrung der Schwäche und der Hilflosigkeit würde ich gern aus meinem Leben streichen. Auch das Gefühl, ausgeliefert zu sein. Genauso wie die bittere Erkenntnis, es nicht mehr zu schaffen, mein Baby zu stillen. Mit all diesen unangenehmen Gefühlen fühlte ich mich konfrontiert, als ich vorbei an den Blicken zum Babybecken lief.

Da ging es nicht um Schönheitsmakel auf meinem Körper. Sondern um den Schmerz, der darunter versteckt war. Weil bei Verletzungen meistens etwas viel Tieferes aufgerissen wird als nur die Haut.

Verletzung meiner Seele

Am Abend des Freibadtages lag ich auf der Liege unserer Terrasse und begann den bevorstehenden Monat Juni zu planen. Was nehme ich mir vor? Was muss mehr rein als im Mai und wovon brauche ich weniger? Welche Geburtstage und Feiermomente stehen an? Was habe ich für Ziele und was für Schreib-Deadlines?

Und weil mir die Bauch-Blicke des Tages noch nahe gingen, schrieb ich das Wort „Heilung“ auf die Liste meiner Wünsche.

Schon als ich es aufschrieb, wusste ich, dass es mir nicht um die Verletzung an der Haut, sondern um die Verletzung meiner Seele geht.

Der Monat nahm seinen Lauf und aus den rosa-rot leuchtenden Wunden wurden Narben. Unauffälliger. Gut verwachsen. Beim Arzt wurde meine Geschichte wahrscheinlich als „Genesen“ dokumentiert. Doch ich spüre, dass ich noch weit davon entfernt bin, von Heilung zu sprechen. Innerlich.
Mit jedem Tag mehr in diesem Monat nahm ich wahr, wie weh mir die Erinnerungen rund um die Narben tun. In den letzten Tagen habe ich häufig ein Stoßgebet in Richtung Himmel gesetzt. „Gott, nimm die schlechten Gefühle doch bitte einfach weg.“
Aber nichts ist passiert.
Die schweren Gefühle blieben.
Ich bin nicht sauer darum. Denn ich glaube, Gott demonstriert mir auf diese Weise mal wieder herrlich, wie nachhaltig er ist (I mean: Er hatte einen Sohn mit den krassesten Ökolatschen. Zumindest laut der Kinderbibel in unserem Haus). Bezogen auf die Wunden in meinem Leben glaube ich, dass es lange Heilungsprozesse gibt, damit die Geschichte, die zurückbleibt, einsortiert und verstanden werden kann. Damit ich mir den Schmerz eingestehe und ihn als Teil meiner Biografie akzeptiere. Und damit mich dieser Teil von mir nicht davon abhält, mich über die schmerzfreie Zeit zu freuen. Dass ich nicht verdränge, sondern verstehe. Nachhaltig eben.

Heilung braucht Zeit. Verdammt viel Zeit. Und Heilung ist anstrengend. Verdammt anstrengend. Für Heilung gibt es keine Creme und keine Schmerztabletten. Innere Wunden lassen sich häufig nicht einfach schnell wegnehmen. Und deshalb steht das Wort „Heilung“ auch im Juli wieder auf meine Vorhaben-Liste. Wahrscheinlich auch im August und im September – und wer weiß, wie oft noch.

Vielleicht fühle ich mich im nächsten Sommer mit einem Bauch voller Narben anders. Nicht so von schweren Erinnerungen belastet. Sortierter, befreiter und mehr angekommen in der Selbstannahme über alle Fehler und Schwächen, die passiert sind. Das wünsche ich mir zumindest.
So weit von meinen Wunden und Narben.

Drei Juni-Highlights in Bild und Wort

Zum Abschluss teile ich noch meine meine drei liebsten Situationen & AHA-Momente des Monats mit Dir. In Bild und Wort. Und in aller Kürze.

1. CAMPEN FUNKTIONIERT AUCH OHNE CAMPER. NÄMLICH MIT ZELT!

Freunde, wir waren Campen. Und zwar mit einem Zelt! Nicht mit dem Van. Und nicht mit dem VW-Bus. Sondern einfach mit einem Zelt. Weil der Van Knut verkauft und der VW-Bus Bernie kaputt war, wir uns den geplanten Kurztrip als Familie aber nicht entgehen lassen wollte. Spontan Alternativen suchen, darin sind wir mittlerweile Meister. 

So ein Zelt ist im Gegensatz zum Schlafen im Camper echt ein Downgrade. Und trotzdem kamen wir nach ein paar Tagen mit einer Reisetasche voller Glückseligkeit zurück. Denn Freiheit, Weite und Entschleunigung lässt sich auch mit Zelt finden. Auch mit Baby und Kleinkind. Auch mit nur zwei Isomatten für vier Personen.

Da sag nochmal einer, man braucht immer mehr Zeug und Platz, umso mehr Familienmitglieder es gibt.

Lass Dir so einen Mist nicht einreden. Dieser Trip mit Zelt in den Bergen beweist das Gegenteil. Ich hab es geliebt!

2. ZUHAUSE IST DORT, WO ES VON LANDVERGNÜGEN EINEN STELLPLATZ GIBT …

… weil es so schön hier ist. Ich bin ehrlich: Ich wollte hier erst nicht hinziehen und befinde mich mittlerweile im absoluten Glücksrausch. Die Natur, der Blick runter auf die Stadt, die Weite und der Bioladen mit dem besten Sandkasten und Kuchen tun meiner Seele einfach so so gut. Erkenntnis Ende. Komm gern mal rum mit deinem Van, lohnt sich!

3. BUCH DES MONATS

Und dann gab es diesen Monat noch ziemlich viel Aperol Spritz. Was aber noch viel spannender auf diesem Bild ist: Das Buch. Mein persönliches Buch des Monats: Jenseits meiner Grenzen der Weite Horizont von Katharina Weck. Selten haben mich Worte so berührt, gefesselt und zum Nachdenken gebracht. Ich werde es wieder und wieder lesen müssen, um die Fülle der Worte ganz begreifen zu können. 11 von 10 Punkten.

So, das war der Juni. Ein wunderschöner Monat.
Die erste Elternzeitreise für dieses Jahr beginnt nun endlich bald. Ich könnte gespannter nicht sein. Wie das wohl so wird zu Viert? Mit Bernie statt Knut? Mit VW-Bus statt Kastenwagen? Und vor allem mit vielen roten Häusern, in denen wir schlafen und uns vorstellen werden, sie gehören uns?!  
Das Leben bleibt spannend. Und ist unglaublich schön. Trotz und mit Narben auf dem Bauch.

Danke für deine Zeit 💙

2 Antworten zu „Monatsgedanke Juni: Am Anfang der Heilung”.

  1. habe ich gern gelesen. das thema heilung ist glaube ich für viele ein ganz große, aber viele bemerken es nicht. manche, weil sie keine sichtbaren wunden haben, andere, weil sie das gefühl haben, wenn man sie nicht mehr sieht, muss auch die seele geheilt sein.

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    1. lieben Dank für deine Gedanken, Sophie.

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